Mittwoch, 24. Juni 2020
Sie ist wohl das größte digitale Experiment in der Geschichte der Bundesrepublik: Die Corona-Warn-App. Auch msg hat an diesem außergewöhnlichen Projekt mitgewirkt und kommt damit seiner gesellschaftlichen Verantwortung nach. Dr. Holger Schmidt, Abteilungsleiter im Public Sector Solutions Consulting bei msg systems, war an dem Vorhaben beteiligt und berichtet im Interview von den Herausforderungen, intensiver und sinnstiftender Arbeit sowie Kollaboration.
Herr Dr. Schmidt, die Corona-Warn-App gilt als essenzielles Projekt zur Pandemiebekämpfung. Wie ist denn die Beteiligung seitens der msg überhaupt zustande gekommen?
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat zunächst Dr. Thomas Helmke angesprochen, ob er nicht bei der Corona-Warn-App auf RKI-Seite unterstützen möchte. Herr Dr. Helmke ist einer unserer freien Mitarbeiter, der zu dem Zeitpunkt bereits über unseren 3PM Rahmenvertrag beim Auswärtigen Amt im Einsatz war und von 2017 bis 2019 bereits ein IT-Projekt im RKI geleitet hatte, das Haus also sehr gut kennt. Und Herr Dr. Helmke ist wiederum an Dr. Andreas Zamperoni herangetreten und hat ihn über die Möglichkeit der Unterstützung beim RKI über den 3PM Rahmenvertrag informiert. Seine Kapazität würde dafür allerdings nicht ausreichen. So sind wir in das Projekt reingekommen. Das war in der Woche als es den Schwenk durch die Bundesregierung von der zentralen zur dezentralen Lösung gab. Wir hatten dann noch die letzten Telkos mit PEPP-PT (Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing; das Konsortium, das die zentrale Lösung entwickelt hatte) – und dann gings auch schon relativ zügig los mit den ersten Calls mit Telekom und SAP.
Wie dürfen wir uns die Beteiligung inhaltlich vorstellen?
Wir haben das Projektmanagement auf Seite des RKI übernommen. Konkret heißt das, Dr. Thomas Helmke, der ja beim RKI viele der beteiligten Personen aus dem RKI schon kannte, hat die Projektorganisation übernommen. Ich habe die technischen Themen im Projektmanagement übernommen. Zudem hatten wir mit Dr. Alexandra Kühte (ebenfalls freie Mitarbeiterin) noch eine Kollegin an Bord, die sich der Kommunikationsthemen angenommen hat. Sie hat den Informationsaustausch in Richtung Bundespresseamt, Gesundheitsministerium, aber auch Kanzleramt und zu der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von SAP und Telekom umgesetzt. Da war ja einiges an Abstimmung notwendig. Um noch mal auf meinen Part zu sprechen zu kommen: Insbesondere am Anfang habe ich eher die technischen Themen bearbeitet. Zum Beispiel hinsichtlich Architektur, die natürlich von SAP und Telekom ist. Dabei und auch bei anderen technischen Themen habe ich die RKI-Kollegen bei der Abstimmung und Analyse unterstützt. Seit rund vier Wochen ist übrigens auch noch Andreas Rieger aus dem Public Sector beteiligt, der in der Release-Phase unterstützt.
Die Umsetzung der App ist ja nun kein ganz alltägliches Projekt, die gesellschaftliche Relevanz geht durchaus über das übliche Maß hinaus. Was waren denn die größten Herausforderungen?
Die größten Herausforderungen waren sicherlich der enorme Zeitdruck und die schiere politische Brisanz. Und ganz klar: das Wissen, dass es schlicht keine größeren Verzögerungen geben darf. Entsprechend war das Projekt einerseits natürlich sehr zeitintensiv – so etwas hatte ich bisher noch nicht. Wir haben von frühmorgens bis spätabends intensiv gearbeitet, auch an Wochenenden und Feiertagen. Teilweise hatten wir um 22 Uhr noch Telkos. Andererseits war es besonders schön zu sehen, wie groß das Commitment aller Beteiligten war, über alle Organisationen und vor allem auch alle Hierarchieebenen hinweg. Alle haben immer sehr lösungsfokussiert gearbeitet. Es ging nie darum, die Probleme herauszupicken. Es gab immer einen Zug in Richtung Lösung. Das war wahnsinnig motivierend.
Klingt nach einer schönen Zusammenarbeit!
Absolut. Also auch in Richtung SAP und Telekom, echt richtig gut.
Die App stößt auf eine überraschend hohe Resonanz. Auch Dr. Stephan Frohnhoff, Vorstandsvorsitzender der msg-Unternehmensgruppe, empfiehlt den msg-Mitarbeitenden die Nutzung. Wie sicher ist die App denn?
Datenschutz und Sicherheit waren ja Themen, die von Anfang an betrachtet wurden. Nicht in jedem Projekt steht das im Vordergrund. Aus meiner Sicht hat dies dazu beigetragen, dass eine überaus datensparsame und sichere App entwickelt wurde. Hinzu kommt natürlich der Open Source-Gedanke. Da das Ganze ja frühzeitig Open Source gestellt wurde, hat sich schnell eine Community gebildet. Findige Leute haben sich das genau angeschaut, teilweise auch Sicherheitslücken entdeckt und entsprechend gemeldet. Das wurde auch von Anfang an berücksichtigt und gleich behoben. Noch mal: ich denke, dass man schon guten Gewissens sagen kann, alle Beteiligten habe eine sichere und datensparsame App entwickelt. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BFDI) wurden ebenfalls frühzeitig miteinbezogen. Und selbst der Chaos Computer Club (CCC) lobt die App. Zudem sehen wir gerade, wie positiv die Berichterstattung ist. Das wäre sie sicherlich nicht, wenn es tatsächlich gravierende Probleme gäbe. Das Projekt hat so eine außergewöhnliche Sichtbarkeit und Schlagkraft. In normalen Zeiten hätte ein solches Projekt vermutlich viele Monate, vielleicht sogar Jahre gebraucht.
Sicherlich ein gutes Gefühl, einen Beitrag für so ein besonderes Projekt geleistet zu haben?
Definitiv. Es ist schon besonders motivierend, wenn man den Sinn des Projektes so unmittelbar sieht und spürt. In dieser Form ist das ja nicht immer gegeben. Einfach schön. Auch so direkt am Puls der Zeit zu sein. Positiv bleibt mir auch in Erinnerung, dass die Arbeit zum großen Teil via Videokonferenzen stattgefunden und dabei so erfolgreich funktioniert hat. Teilweise waren wir den ganzen Tag in Videokonferenzen mit SAP, der Telekom, mit den Ministerien, mit dem PMO auf der Telekom/SAP-Seite. Das hat richtig gut geklappt und über diese Intensität haben wir auch eine sehr gute Beziehung zu den anderen Beteiligten aufgebaut.